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Flathy

Wir waren 22 Monate unterwegs und sind nun wieder zu Hause in der Schweiz!

La vida en la carretera

25.11.2014 - 25.05.2015: Das Leben unterwegs

Diesmal gibt es einen allgemeinen Bericht zum Thema Reisen in Südamerika und keinen Etappenbericht. 

Wir sind nun gut seit sechs Monaten unterwegs, leben in unserem kleinen fahrenden Haus und bereisen Südamerika [Reiseroute]. Der Reisealltag, wenn es so etwas überhaupt gibt, gefällt uns sehr gut. Wir haben uns gut auf dieses bewegte Leben eingestellt und geniessen die vielen Freiheiten die ein solches Leben bietet. Aber natürlich hält auch das Langzeitreisen einige Schattenseiten bereit. Oder vielleicht besser ausgedrückt, eine längere Reise stellt die Reisenden vor viele Herausforderungen. Dieses Leben in Bewegung hält viele Überraschungen bereit und jeden Tag gibt es viele zu entdecken, viele Begegnungen und natürlich auch viel Zeit für sich selber. Auch gilt es beim Reisen immer einen guten Kompromiss zwischen Fahrtagen, Entdeckungstagen und Ruhetagen zu finden. 

Aber auch auf der Reise stellt sich eine gewisse Routine ein. Bei uns beginnt der Tag normalerweise so um Acht Uhr morgens. Nach einem gemütlichen Frühstück mit Tee steht der Tag offen und wir machen was wir gerade Lust haben. Je nach Stellplatz gehen wir Baden, unternehmen Wanderungen, entdecken die Umgebung zu Fuss oder lesen einfach ein Buch. Im gesamten Reisealltag gibt es sehr viele Freiheiten, denn nichts ist definitiv und man kann alles gestalten und definieren. Wir haben ein Ziel vor Augen, doch viele Faktoren beeinflussen das Erreichen des Ziels. Aber eigentlich ist unser Ziel, Alaska nur ein Horizont auf den wir zufahren, denn für uns zählt nur der Weg. Der Weg ist das Ziel!

Das Grundlegende Reiseleben gestaltet sich sehr einfach. Haben wir einen guten und sicheren Schlafplatz? Haben wir genug Wasser und genug zu Essen? Reicht der Diesel bis zur nächsten Tankstelle? Ist alles in Ordnung mit dem Fahrzeug? Fühlen wir uns hier wohl oder zieht es uns weiter? Dies sind einige der Grundlegenden Fragen und Gedanken die unseren Reisealltag beeinflussen. Wenn diese Grundbedürfnisse des Reisenden erfüllt sind, bleibt noch viel Freiraum für die freie Tagesgestaltung.

Dieser Freiraum macht das Reisen so interessant und abwechslungsreich. Jeder Tag gestalten wir nach Gefühl. Es bleibt genug Zeit um mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen, um die Natur zu erkunden, um zu schwimmen, um zu lesen und natürlich auch um die Seele baumeln zu lassen.

Je nach Tagesetappen sitzen wir auch viel im Cockpit in unseren Pilotensitzen und lassen verschiedenste Landschaften und Wetterlaunen an uns vorbeiziehen. Manchmal begleitet von lauter Musik, manchmal führen wir angeregte Gespräche und es kommt auch vor, dass wir einfach dem sonoren und beruhigenden Brummen des Fünfzylinders zuhören. Die Fahrtage sind sicherlich immer ein Erlebnis, vorausgesetzt, dass man gerne hinter dem Steuer sitzt. Bei uns trifft die zu und somit geniessen wir die Stunden auf der Strasse. Es gilt verschiedene Strassenverhältnisse zu befahren, manchmal geht es Stundenlang geradeaus und dann kommt wieder eine knifflige und anspruchsvolle Schotterpiste. Der Tachometer hat hier in Südamerika eher einen dekorativen Charakter, meist fahren wir nach Gefühl und selten sind wir mit unserem Koloss zu schnell. Und wenn dies einmal vorkommt, ist es auch nicht so schlimm, da Geschwindigkeitsübertretungen nicht mit ganz so saftigen Bussen wie in der Schweiz geahndet werden. Die Fahrtage machen aber nur so lange Spass bis das Fahrzeug in Ordnung ist und sich keine Probleme bemerkbar machen. Sobald ein technisches Problem auftritt muss schnell nach einer Lösung gesucht werden. Bestenfalls können wir dies selber beheben und sonst heisst es in der nächsten grösseren Stadt umherfahren und durchfragen. Häufig sind diese Werkstatt Tage sehr ermüdend und nervenaufreibend. Da vieles nicht klappt und auch ein Automechaniker nicht immer wirklich sein Handwerk versteht. 

Aber wenn das Büssli in Ordnung ist können wir uns den schöneren Facetten des Reisens widmen. Doch nach jedem so schönen Tag kommt die Frage nach einen geeigneten und sicheren Schlafplatz auf. Es ist gar nicht immer einfach einen einigermassen guten Schlafplatz zu finden. Dies ist in Natur- und Nationalparks meist kein Problem, in weiten Teilen von Patagonien ist aber viel Land in privater Hand und somit sind manchmal einige hundert Kilometer nur Zäune zu sehen, dies erschwert die Schlafplatzsuche. Auch nicht einfach ist es in Stadtnähe einen guten Schlafplatz zu finden, somit übernachten wir in Städten häufig an einer 24h Tankstelle.

Aber es gibt sie natürlich noch die wunderschönen Schlafplätze und wenn wir einen solchen Traumplatz entdecken bleiben wir meist einige Tage um die kommenden Tage vollkommen zu geniessen. Natürlich gibt es an einigen Orten auch Campingplätze, doch häufig sind die Campingplätze in Chile und Argentinien überteuert für was sie bieten. Die Sanitären Anlagen sind meist ins sehr schlechtem bis fraglichem Zustand und so ziehen wir es vor in der Natur zu Leben.

Wenn es nicht ununterbrochen regnet, verbringen wir viel Zeit draussen in der Natur, nehmen uns viel Zeit um ein schönen Nachtessen vorzubereiten oder um ein gutes Buch zu lesen. Nach dem Nachtessen findet das Leben meist im Bus statt, da es am Abend häufig draussen zu kühl ist oder viele Plagegeister in Form von Mücken oder Fliegen unterwegs sind. So verbringen wir die Abende mit spielen, Fotos sortieren, lesen oder einfach mit guten Gesprächen zu zweit oder mit Leuten die wir unterwegs treffen. Immer wieder kommt es zu Begegnungen mit interessanten Reisenden oder auch mit Einheimischen, die häufig ein komplett anderes Leben führen, dies macht diesen Austausch sehr wertvoll.

Für Leute mit westlicher Mentalität hält Südamerika sehr viel Überraschungen und Kuriositäten bereit. Vieles läuft hier nicht im selben Tempo wie bei uns und einiges ist komplett anders. Arbeit wird hier anders definiert und auch anders gelebt, aber im Allgemeinen geht das Leben sehr gemächlich vor sich und niemand lässt sich wirklich aus der Ruhe bringen. Auch hat das Leben einen ganz anderen Rhythmus, am Morgen läuft nicht viel und die meisten Geschäfte und Unternehmen öffnen zwischen neun und halb Zehn, dann erwacht man bis um Ein Uhr, nach der Mittagspause geht es um drei, halb vier wieder weiter bis um Sieben. Die mittagliche Siesta macht es unmöglichan einem Tag viel zu erledigen. Aber im Allgemeinen erleben wir die Menschen als sehr aufgeschlossen und interessiert, überall liegt ein Schwatz drin und das macht das ganze Treiben hier so farbig.

Weniger farbig wirken auf uns Plätze in der Natur. Ist ein Platz mit dem Auto erreichbar, sieht man das an diversem zurückgelassenen Müll. Vielerorts findet man Plastikverpackungen und PET Flaschen. Anscheinend existiert hier noch gar kein Bewusstsein für die Natur. Dies stimmt uns nachdenklich und macht es manchmal auch unmöglich an einem Platz zu bleiben, geschweige auszusteigen. Dieses Bewusstsein muss sich hier erst noch entwickeln, hoffentlich geschieht dies bald. Aber auch wir erhalten nur einen kleinen Einblick in das Leben der Menschen hier und man sieht eigentlich nur ein Theater. Aber was hinter der Kulisse abläuft und warum dies und jenes so läuft und gemacht wird begreifen wir häufig nicht. Da müssten wir viel tiefer in die jeweilige Mentalität eintauchen können und seine eigene Denkweise müsste beiseite gelegt werden.

Fast täglich werden wir auch mit jeglicher Form von Armut konfrontiert. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist bekanntlich in Südamerika generell grösser als in Westeuropa. Diese bittere Armut regt zum Nachdenken an, doch ein Rezept dagegen haben wir auch nicht. In diesen Ländern läuft diesbezüglich so viel Krumm, das auch in absehbarer Zeit keine Lösung in Sicht ist. Eher wird die Kluft noch grösser. 

Alles in allem ist unser Reiseleben wunderschön und wir wissen es sehr zu schätzen, das wir in der Lage sind unsere Träume zu leben und die Welt entdecken können. Doch gerade jetzt haben wir wieder einen kleinen Rückschlag erlebt. Seit April haben wir viele Arbeiten am Bus erledigt und die Zeit auf dem Campo genossen. Da wir hier kein neues mechanische Lenkgetriebe bekommen können, haben wir bei einer Firma in Deutschland ein revidiertes Lenkgetriebe bestellt. Etwa sechs Wochen nach Bestellung ist nun das Lenkgetriebe hier eingetroffen. Da wir den Lenkstockhebel nicht demontieren konnten, beschlossen wir das Lenkgetriebe beim Mechaniker wechseln zu lassen. Leider hat der Mechaniker unser „leichtes“ Auto am Trittbrett mit einem Lastwagenwagenheber aufgehoben. Anstatt das Fahrzeug aufzuheben wurde aber das Trittbrett plastisch verformt, so dass nicht mal mehr die Fahrertüre auf und zu gemacht werden konnte. Bei mir machte sich grosse Enttäuschung breit, da unser Bus wirklich noch in exzellentem Zustand ist und keine plastische Verschönerungen beim Mechanikerchirurgen braucht! Dazu kam noch, dass das Lenkgetriebe eingebaut war, doch als ich das Lenkrad gegen links lenkte, schlugen die Räder gegen rechts ein und umgekehrt! So bis nach Alaska zu fahren wäre eine richtige Herausforderung. Nun stellte sich heraus, dass wir ein falsches Lenkgetriebe erhalten haben. Wahrscheinliche eines für einen Links gelenkten Bus.  Jetzt reicht die Zeit nicht mehr um auf das richtige Lenkgetriebe zu warten und nun kümmert sich der Chefmechaniker um unser Lenkgetriebe und versucht dies zu reparieren. Wir hoffen nun das dies klappt und dann geht es für uns weiter in Richtung Norden, denn bald kommt der Winter in Süd-Chile und die Aufenthaltsbewilligung von 90 Tagen für Flavio und den Bus laufen in der ersten Juniwoche aus. Bei Nathalie ist dies kein Problem, denn sie hat die letzten drei Wochen in Kalifornien bei ihrer Schwester und deren Familie verbracht hat. Denn dort wird jeden Moment Nachwuchs erwartet.

Jetzt hoffen wir, dass unser rollendes Zuhause bald wieder richtig rollt und wir gegen Norden durchstarten können. Die genaue Route kennen wir noch nicht. Wahrscheinlich werden wir im Zickzack zwischen Chile und Argentinien nach Norden reisen, Andenlandschaften erkunden und hohe Pässe befahren. Natürlich freuen wir uns bald wieder die Leinen zu lösen und weiterzuziehen, doch irgendwie schwingt auch ein gewisser Wehmut mit, denn man gewöhnt sich schnell an ein neues Leben und natürlich an unsere super Gastgeber auf dem Campo! Nochmals ein riesengrosses Dankeschön für die Unterstützung und die schönen Stunden auf dem Campo.

Der nächste Bericht wird hoffentlich wieder von unterwegs kommen...

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